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Interview mit Gernot Scharf -Stiftungsrat in der Pensionskasse der F. Hoffmann-La Roche AG und Vizepräsident in der Zusatzvorsorge.

In der Pensionskasse der F. Hoffmann-La Roche AG werden die Arbeitnehmerstiftungsräte durch Mitglieder des Angestelltenverbandes sowie der Arbeiterkommission gestellt. Differenzen im Stiftungsrat sind selten – diese werden in vorberatenden Arbeitsgruppen ausgeräumt. Durch das Suppleantensystem und regelmässige Weiterbildungen begegnen sich die Stiftungsräte auf Augenhöhe.

Gernot Scharf ist Stiftungsrat in der Pensionskasse der F. Hoffmann-La Roche AG und Vizepräsident in der Zusatzvorsorge. Der Mikrobiologe arbeitet seit 20 Jahren bei Roche, derzeit als Global Quality Manager. Fast seit Beginn seiner Anstellung bei Roche engagiert er sich in der Arbeitnehmervertretung. Wie auch dem Unternehmen ist ihm Kontinuität wichtig. Neben seiner stetig gewachsenen beruflichen Verantwortung ist er leidenschaftlich als Arbeitnehmervertreter tätig. Innerhalb des Stiftungsrats ist er Mitglied der Arbeitsgruppe zu technischen Themen (Reglement, gesetzliche Anpassungen). Der deutsch-schweizerische Doppelbürger ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Herr Scharf ist gerne mit der Familie unterwegs in anderen Kulturen, steht gerne in der Küche und probiert Rezepte aus.

Herr Scharf, wer gilt als Arbeitnehmervertreter im Stiftungsrat?
Die Roche hat zwei Vorsorgestiftungen: die Pensionskasse und die Zusatzvorsorge. In der Pensionskasse zählen wir zwölf Stiftungsräte, in der Zusatzvorsorge acht. Das heisst, es sind total zwanzig Stiftungsratsämter, wobei es Doppelmandate gibt – wie in meinem Fall. Arbeitnehmervertreter im Stiftungsrat können Mitglieder einer der beiden Angestelltenverbände sein. Die Arbeiterkommission, die die rund 1000 Angestellten im Gesamtarbeitsvertrag vertritt, stellt zwei Stiftungsratsmitglieder und der Angestelltenverband, der mit seinen 6000 Mitgliedern über 10 000 Mitarbeitende im Einzelarbeitsvertrag vertritt, stellt sechs Mitglieder. Ich selbst bin als Vizepräsident eines von 16 Vorstandsmitgliedern des Angestelltenverbands.

Sie haben neben den Stiftungsräten auch Suppleanten, welche Rolle spielen diese?
Suppleanten sind Stellvertretungsstiftungsräte. Sie werden gleich behandelt wie die Stiftungsräte, das heisst, sie erhalten Einladungen zu den Sitzungen, sowie zu Informations- und Weiterbildungsanlässen. Jeder fängt als Suppleant an. Tritt ein Stiftungsrat zurück, rutscht ein Suppleant nach, der in der zweiten Reihe ausreichend Wissen und Erfahrung sammeln konnte und somit bereit ist für das Stiftungsratsamt.

Wie sieht es aus mit externen Stiftungsräten?
Die Pensionskasse Roche hat keine externen Stiftungsratsmitglieder.

Wie lassen sich geeignete, engagierte und auch junge Arbeitnehmervertreter fürs Stiftungsratsamt motivieren?
Wir Vorstandsmitglieder des Angestelltenverbands hören uns bei Mitarbeitenden um, die Interesse an der Tätigkeit im Verband und schliesslich im Stiftungsrat haben könnten. Idealerweise sind sie bereits Mitglied im Verband. In den regelmässigen Verbandssitzungen erfahren wir dann, wie sie denken und handeln. Für diese Ehrenämter braucht es ein persönliches Engagement. Wir fanden bisher immer Interessierte, auch bei Jungen und sogar mit versicherungstechnischem oder Finanz-Background. Junge Stiftungsräte können sich beruflich weiterentwickeln und auch austreten. Das ist der Lauf der Dinge.

Wie ist das Wahlprozedere ausgestaltet?
Eine Wahl in den Stiftungsrat im engeren Sinn findet nicht statt. Die Auswahl für den Stiftungsrat findet in Gesprächen des Angestelltenverbands mit potenziellen Stiftungsräten unabhängig vom Arbeitgeber statt. Eine Amtszeit dauert vier Jahre, eine Amtszeitbegrenzung kennen wir nicht. Das führt zu Kontinuität und sehr erfahrenen Stiftungsratsmitgliedern.

Wie werden die Arbeitnehmer über die neuen Stiftungsräte und Stiftungsratsentscheide informiert?
Wir informieren via Newsletter die Mitglieder des Verbands sowie alle anderen Mitarbeitenden. Zudem findet eine Publikation durch den Geschäftsbericht der Pensionskasse sowie an der GV des Angestelltenverbands statt.

Was passiert, wenn man nicht genügend Arbeitnehmervertreter findet?
Das könnte theoretisch eintreten. Wir haben das bisher aber noch nicht erlebt. Vieles hängt von der Auslastung der Mitarbeitenden ab und davon, ob sie von der Linie unterstützt werden. Wer Arbeitnehmervertreter ist, macht das gerne, obwohl es mit zusätzlichem Aufwand verbunden ist und nicht entschädigt wird – also absolut ehrenamtlich. Der Austausch mit der Geschäftsleitung an der zweimal jährlich stattfindenden Stiftungsratssitzung wird sehr geschätzt.

Gibt es Interessenkollisionen mit den Arbeitgebervertretern?
Im Stiftungsrat kommt es selten zu Kontroversen. Technische Themen werden in der Arbeitsgruppe der Pensionskasse vordiskutiert, die sich aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern zusammensetzt. Falls dort unterschiedliche Ansichten aufeinandertreffen, wird das vertieft diskutiert. Dabei geht es immer sachlich zu und her, und meist stellt sich die Einsicht ein, dass die Argumente der einen oder der anderen Seite stichhaltiger sind. Ein Beispiel für eine intensivere Diskussion ist die neue freiwillige Weiterversicherung für ältere Arbeitnehmende. Es war den Arbeitnehmervertretern ein Anliegen, dies bereits ab Alter 55 zu ermöglichen statt wie im Gesetz erst ab 58. Wir konnten die Arbeitgebervertreter überzeugen, dass dies für die Pensionskasse kostenneutral erfolgen kann. Nach intensiver Diskussion waren schliesslich alle damit einverstanden. Ein weiteres Beispiel sind die 1e- Pläne. Einige wollten das, andere waren skeptisch. Wir haben das schliesslich gross aufbereitet mit externen Referenten, um uns klar zu werden, welcher Mehrwert damit für wen entsteht. Wir kamen zum Schluss: Nein, das passt noch nicht zu uns.

Wie bereiten sich die Arbeitnehmervertreter auf die Sitzungen vor?
Im Pensionskassen-Informationskreis der Arbeitnehmer-Stiftungsräte (PIKAS) diskutieren wir sechsmal im Jahr im Hinblick auf aktuelle Themen und Stiftungsratssitzungen. In der PIKAS haben wir die Möglichkeit, uns komplexe Themen nochmals besser und in verständlicher Sprache erklären zu lassen. Manchmal holen wir auch jemanden von der Geschäftsstelle dazu. In der PIKAS kann jeder frei fragen oder sagen, was man sich im Stiftungsrat nicht trauen würde. Da sind wir unter uns Arbeitnehmenden.

Wie treten die Arbeitnehmervertreter im Stiftungsrat auf?
Durch die intensive Vorbereitung in der PIKAS und in der Arbeitsgruppe treten wir tendenziell mit gleicher Ansicht in den Stiftungsrat. Es besteht aber kein Stimmzwang. Es kann sein, dass ein Arbeitnehmerstiftungsrat eine andere Meinung hat und anders abstimmt. Manchmal zeigen wir uns auch fordernd. So kann es sein, dass man beim Arbeitgeber auf einen «Trigger-Punkt» kommt. Zum Beispiel wenn dieser sich finanziell noch mehr engagieren soll, um Leistungseinbussen zu puffern. Roche unterstützt schon ganz ordentlich. Dennoch braucht es zur Haltung des Arbeitgebers manchmal das Gegengewicht der Arbeitnehmenden.

Wie gehen Sie mit Wissensdifferenzen um?
Die Geschäftsstelle lädt uns einmal im Jahr ins Ausbildungszentrum nach Buonas ein zu einem Schulungsangebot zu aktuellen Themen. Zudem besteht ein Basis-Einsteigerkurs der PK-Roche. Jedem Stiftungsrat steht schliesslich ein Budget für Schulung zur Verfügung; das wird vom Arbeitgeber finanziert. Viele besuchen externe Ausbildungen. In der PIKAS wird auch häufig Klarheit zu bestimmten Themen geschaffen. Und auch in der Arbeitsgruppe blamiert man sich nicht, wenn man eine vermeintlich einfache Frage stellt. Wir gehen offen mit Wissenslücken um und wissen, dass das Führen einer Pensionskasse ein komplexes Thema ist und es Zeit braucht, um es gut zu verstehen. Da darf man immer Fragen stellen.

Wie stellen die Arbeitnehmervertreter sicher, dass sie im Interesse der Arbeitnehmer entscheiden?
Wir stellen als Angestelltenverband insgesamt sicher, dass wir die Interessen der Arbeitnehmer vertreten. Zum Beispiel bei Lohnverhandlungsgesprächen, wo über die Lohnerhöhungen von 14 000 Mitarbeitenden in der Schweiz verhandelt wird. Bei der PK muss man manchmal den Hut des Mitarbeitervertreters ablegen und im Interesse der PK handeln. Ich kann nicht nur zugunsten eines Kollegen, der kurz vor der Pensionierung steht, für eine hohe Verzinsung einstehen, die der PK schaden würde. Als Stiftungsräte kommen nur Vorstandsmitglieder des Angestelltenverbands infrage, die ohnehin den Kontakt zur Belegschaft pflegen. Jeder ist in seinem Job verankert und kann mit seinen Arbeitskollegen über deren Interessen sprechen und diese so wahrnehmen, um schliesslich im Interesse der Mitarbeitenden zu entscheiden. Aber: Egal ob Arbeitgeber- oder Arbeitnehmervertreter, Stiftungsräte entscheiden immer im Interesse der Kasse.

Interview: Gregor Gubser
Quelle: Schweizer Personalvorsorge 10-21